Von unserem Autor Michael
Sabine rekelte sich wohlig im Halbschlaf. Sie fühlte sich schwer und weich, spürte den Wind über ihre Haut streichen und Wellen ihre Füße hoch und hinunterspülen.
Wie war sie hierher gekommen? Halb entschlossen versuchte sie, sich zu erinnern. Da waren Igors Lippen. Fordernder, immer wilder, und dann gingen ihr die Lichter aus. Aber wieso lagen ihre Füße im Wasser? Wieder und wieder driftete sie vom Halbschlaf in den Schlaf, bevor sie der Antwort näher kam, und ehrlich gesagt, es war viel zu schön, als dass sie richtig wach werden wollte.
Ihr rechter Fuß war schwer und entspannt. Sie stellte sich vor, Yoga zu üben, und ließ das rechte Bein absinken, erst den Fuß, dann den Unterschenkel, den Oberschenkel, und zuletzt drückte ihr Gesäß tief in den Sand. Noch nie zuvor hatte sich die Übung so intensiv angefühlt. Nun wurde der rechte Arm ruhig und entspannt, dann der linke Arm, das linke Bein, sie war losgelöst. Ihre Atmung ging ruhiger. Sie schwebte, und sank gleichzeitig immer tiefer in den Sand.
Ihre Füße wurden von einer Welle gekühlt, um vom warmen Wind wieder getrocknet zu werden. Die nächste Welle erreichte bereits ihre Knie, die übernächste dann wieder nur die Füße. Sie legte den Kopf auf die Seite und seufzte wohlig. Ein Rauschen kündigte eine große Woge an. Sie spülte über ihre Beine, über ihren Schoß, über ihre Brust. Das kalte Wasser ließ sie tief einatmen. Sie spürte, wie ihre Brustwarzen sich aufstellten, als der Wind über sie blies und sie wieder aufwärmte. Durch ihren Körper strömte ein Schauer nach dem anderen.
Das Kribbeln war jetzt an ihrem rechten Knie. Sie schmunzelte und öffnete die Augen. Welch Anstrengung ihr das bereitete, leicht und schwer, wie sie war. Sie hatte daneben gezielt, sie sah ihre Füße. Wie schön sie doch waren, sie liebte sie noch mehr als ihre Brüste. Um ihr Knie zu sehen, müsste sie den Kopf heben, aber dazu konnte sie sich nicht aufraffen. Vielleicht wenn sie ihn noch etwas neigte?
Die nächste Woge unterbrach ihre Bemühungen. Wieder wurde ihre Brust überspült. Sie ließ sich vollkommen fallen, um das Gefühl auszukosten. Die folgende Welle brach direkt in ihrem Schoß, hinterließ Schaum und Wirbel, Sand rieb mit dem ablaufenden Wasser an ihr herunter.
Die Woge hinterließ das Kribbeln jetzt am Oberschenkel. Etwas bewegte sich zwischen ihren Beinen, unbeschreiblich, streichend, kribbelnd, saugend. Es würde doch nicht … doch es tat genau das und verblieb dort. Es war unbeschreiblich schön, sie hätte sich so gerne mit diesem Gefühl bewegt, aber sie war leicht und schwer und schwebte. Die Wellen kamen höher und höher, es zählte nur noch dieses Gefühl, das drückte, wenn die Wogen über sie fluteten, und saugte, wenn sie ins Meer zurückflossen. Sie wollte nur noch mehr und mehr und mehr. Noch nie zuvor hatte sie sich so erregt gefühlt, ohne sich auch nur bewegen zu müssen. Mit einem lauten Rauschen spülte eine gewaltige Welle über sie hinweg, hob sie etwas an, erlebte mit ihr einen ekstatischen Höhepunkt, und legte sie etwas strandaufwärts wieder ab.
Als sie wieder atmen konnte, spürte sie das Kribbeln mit der Welle ihre Beine verlassen. Kurz durchquerte ihr Gast ihr Gesichtsfeld. Ein kleiner weißer Krake mit hellblauen Kringeln, wunderschön anzusehen. Ihr wurde entfernt bewusst, dass sie sein Gift nicht überleben würde, aber es nahm ihr nicht nur Motorik und Sensibilität, sondern auch jeden negativen Gedanken, es war ihr nicht wichtig. Sie hätte ihm gerne noch ein wenig nachgesehen, aber ihre Augen bewegten sich nicht länger. Voller Dankbarkeit sandte sie ihm ihren Abschiedsgruß.
Noch immer zuckte ihr Unterleib wohlig. Dann beruhigte sich ihre Atmung. Die Pausen zwischen ihren Atemzügen wurden länger. Alles war weit weg, weit weg, weit weg.
Sabine öffnete ihre Augen und nahm einen tiefen Atemzug. Für den Bruchteil einer Sekunde geriet sie in Panik, bewegte versuchsweise ihre Füße. Himmel hilf! Das Essen beim Japaner gestern war fantastisch gewesen. Blaugeringelte Kraken waren eine Delikatesse. Oder – falsch zubereitet – kaum weniger tödlich als Steinfische. Dass sie die Gruselgeschichte über ihr Tetrodotoxin in ihre Träume verfolgte, war schon merkwürdig. Das ruhige Atmen ihres Kopfkissens beruhigte sie rasch.
Sie kicherte, leise, um Igor nicht zu wecken, kuschelte sich an seine Schulter. Oh, sie erinnerte sich jetzt genau, wie es nach dem Kuss weiter gegangen war. Auch das war ihr in ihre Träume gefolgt, und es störte sie nicht im mindesten. Es kribbelte immer noch zwischen ihren Beinen. Erschrocken sah sie an sich herab, um erleichtert auszuatmen. Tentakel – ja. Krake – nein. Sie sah Igors schlafendes Gesicht von unten an. Hm – nein. Sicher nein. Was er wohl träumte? Sie hatte eine rege Vorstellung davon, während er sie im Schlaf streichelte und ihr einen wohligen Schauer nach dem anderen schenkte.
Was sollte sie jetzt anfangen? Sie spürte, wie er sich im Schlaf bewegte, suchte. Das Spiel bereitete ihr eine diebische Freude. Unter keinen Umständen durfte er aufwachen, den Spaß wollte sie sich nicht verderben. Sie blieb an seiner Schulter liegen und drehte ein wenig die Hüfte. So fand er endlich seinen Weg. Sabine musste sich vor Erregung auf die Lippen beißen, dann überließ sie alles Weitere dem schlafenden Hünen, lag still wie unter dem Kraken, um ihn nicht zu wecken. Sie war noch nicht auf halbem Weg, als er sich in sie ergoss, langsam ruhiger wurde und in einen tieferen Schaf sank.
Mühsam unterdrückte sie ein Lachen. Sie fühlte sich erfüllt, von ihm und von ihrer Liebe zu ihm. Langsam glitt auch sie zurück in den Schlaf, und diesmal träumte sie nicht von Meeresfrüchten. Dieses Erlebnis würde sie tief in sich bewahren, es sollte bis an ihr Lebensende ihr süßes Geheimnis bleiben. In ihren Träumen war sie die Sphinx, die unter Igors Blicken geheimnisvoll wissend schwieg.